Dissertation

Kollektives Verkehrsgedächtnis zur Unterstützung vernetzter automatisierter Verkehrsteilnehmer

Autor*in:
Timo Woopen
Seitenzahl:
202
Jahr:
2025
Sprache:
Deutsch
Format:
digital

Lernen ist Erfahrung. Alles andere ist einfach nur Information.“ Dieses Zitat von Albert Einstein gilt auch für die Mobilität, die sich in einer der größten Revolutionen seit der Erfindung des Verbrennungsmotors befindet. Das vernetzte und automatisierte Fahren verspricht, die Mobilität der Zukunft nachhaltig sicherer und komfortabler zu gestalten. Megatrends wie künstliche Intelligenz (KI) und Konnektivität ermöglichen die zentralisierte Datensammlung und darauf aufbauendes Lernen zur kontinuierlichen Verbesserung implementierter Funktionen. Der Mensch lernt sicheres und komfortables Fahren durch den Aufbau eigener Erfahrung und das implizite Bewerten eigener und fremder Manöver in seiner Umgebung und baut so ein orts- und zeitcodiertes (raumzeitliches) Pendlerwissen auf. Dennoch werden automatisierte Fahrfunktionen meist generisch für den gesamten Anwendungsfall entwickelt und optimiert. Die Sammlung und Generierung von raumzeitlicher Erfahrung birgt das Potenzial, vernetzte automatisierte Fahrzeuge durch eigene oder fremde Erfahrung, ähnlich dem menschlichen Lernprozess, im Feld zu unterstützen. In dieser Arbeit wird daher ein kollektives Verkehrsgedächtnis zur Unterstützung insbesondere von vernetzten automatisierten Fahrzeugen durch die Aggregierung von raumzeitlichem Flottenwissen erforscht und prototypisch umgesetzt.

Zu diesem Zweck wird untersucht, wie Flottenwissen aufgebaut und die darin enthaltene Erfahrung beschrieben werden kann. Hierfür werden Bewertungsaspekte und Metriken eingeführt und kombiniert, um Erfahrung a posteriori aus erlebten Situationen abzuleiten. Dabei wird berücksichtigt, dass Erfahrung für automatisierte Fahrzeuge nicht nur aus eigenen Erlebnissen, sondern auch aus denen einer Flotte oder aus Daten zusätzlicher Infrastruktur aggregiert werden kann. Für die Sammlung von Erlebnissen und die Ableitung relevanter Erfahrung wird eine Cloud-Architektur entwickelt, die Daten verschiedener Fahrzeuge und weiterer Datenquellen in Echtzeit verarbeiten und auf Basis von Analyseregeln für die weitere Nutzung durch verschiedene Applikationen ablegen und bereitstellen kann. Diese Architektur bildet die Basis für die beispielhafte Umsetzung einer Applikation zur Generierung von Trajektorienvorschlägen an urbanen Kreuzungen durch Nutzung der gesammelten raumzeitlichen Erfahrung.

Die Ergebnisse zeigen, dass Trajektorien a posteriori durch die Kombination geeigneter Metriken auf verschiedenen Bewertungsaspekte evaluiert werden können, um Erfahrung daraus abzuleiten. Diese Erfahrung lässt sich mittels vergleichbarer Kennzahlen ausdrücken und kann für die Nutzung in verschiedenen Applikationen nutzbar gemacht werden. Im Vergleich mit einem konventionellen Trajektorienplaner zeigt die Nutzung des erfahrungsbasierten Trajektorienvorschlags erkennbare positive Einflüsse auf den Komfort und die Sicherheit der geplanten und ausgeführten Trajektorie während der normalen Fahrt. Weiterhin zeigt die Nutzung von raumzeitlicher Erfahrung großes Potenzial bei der Bewältigung von Situationen, die aufgrund zeitlicher oder räumlicher Änderungen der Verkehrsumgebung, wie bspw. bei temporären Baustellen, entstehen.